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Dreiländergiro 2024 🇦🇹🇨🇭🇮🇹

  • Autorenbild: Ole von 2Radventure
    Ole von 2Radventure
  • 27. Okt. 2024
  • 5 Min. Lesezeit

Bevor ich zum ersten Mal die Berge sehen durfte, mussten wir mehr als 1000km mit dem Auto zurücklegen. Ursprünglich wollte ich dieses kleine Abenteuer mit meinem Bruder bestreiten, welcher jedoch verhindert war und durch Martin, einem Kollegen und ein radbegeisterter Freund von mir, ersetzt wurde.


All die Eindrücke, welche in den nächsten vier Tagen auf uns warteten, bestätigten wieder die Gründe, aus denen ich meine Zeit dem Radfahren widme: Sport und Natur in einem! Neben den vielen positiven Erlebnissen, hatten wir auch einen Moment der Enttäuschung. Warum uns die Veranstalter während des Rennens die Startnummern weggenommen haben, erfahrt ihr später.


Für eine angenehme Rennvorbereitung und Anfahrt, nahmen wir uns zwei Tage für die lange Strecke vom Norden Deutschlands bis nach Österreich, um genauer zu sein, bis zu einem kleinen verträumten Ort namens Nauders. Nach einer Übernachtung in der Nähe von Kassel, fuhren wir durch den Veranstaltungsort Nauders bis in die Schweiz. Kurz nach der österreichischen Grenze führte uns eine Landstraße durch ein kleines Dorf namens Ramosch. Dort befand sich unsere Ferienwohnung, welche durch ein sehr freundliches Paar vermietet wird. Die Unterkunft ist absolut zu empfehlen. So freundliche Gastgeber habe ich selten erlebt! - Hier geht es zur Unterkunft.


Da die Veranstaltung in der Radsportszene sehr beliebt ist und nicht nur die Tickets für das Rennen binnen Stunden ausverkauft waren sondern auch die Unterkünfte in Nauders selbst, sahen wir uns gezwungen eine der letzten Unterkünfte in der Nähe und somit in der Schweiz zu buchen. Zwischen Ramosch und Nauders lagen zwar weniger als 20km, jedoch liegt auf dieser Strecke die Norbertshöhe (5,9km/375Hm). Dieser Pass ist nicht nur ein ordentlicher Anstieg mit 11 Spitzkehren sondern auch schon Bestandteil des Dreiländergiros. Der letzte Anstieg, der auch die letzten Energiereserven fressen sollte.


Nach einem Tag Pause, gefüllt mit Vorbereitungen, kleinen Ausfahrten und gutem Essen am Veranstaltungsort, kommen wir nun zum Rennen: Früh am Morgen fuhren wir mit dem Eigentümer unserer Unterkunft gemeinsam hoch nach Nauders und konnten im 4. Startblock rechtzeitig loslegen. Als die ersten sich längst mehrere Minuten auf der Strecke befanden, kam der Start auch bei uns weit im Innern des Ortes und somit weit hinten des Teilnehmerfeldes an. So fuhren wir im letzten Drittel zunächst nach kleinen kurzen Anstiegen und einem eher flachen Segment, eine ca. 20-minütige Abfahrt bis zum Ort Prad am Stilfser Joch.


Wir wussten, dass dies der letzte Ort war, bevor uns der größte Anstieg des Rennens bevor steht. Nach einer 90-Grad-Kurve im Ortskern gefolgt vom Ortsausgangs-schild, wurde es zunehmend steiler. Hier begann die Odysee bis auf den Gipfel der "Königin der Alpenpässe", dem Passo Dello Stelvio, auch Stilfser Joch genannt. 48 Haarnadelkurven mussten passiert und 1846Hm auf 24,9km Länge überwunden werden.


Der Anstieg dauerte mehr als 2,5 Stunden, die uns jedoch nicht so lang vor kamen. Der Ausblick und die Freude über das Fahren am Berg liesen die Zeit schnell vergehen. Während uns vereinzelt Teilnehmer wieder entgegen kamen, war uns von vornherein klar, dass es nur in eine Richtung geht: nach oben! Die Beine brennen, die Luft wird dünner aber die Lust auf die Aussicht auf dem Gipfel immer größer. Nach vielen kleineren Pausen fürs Austreten oder Fotos machen erreichten wir auf 2700m Höhe den Gipfel des zweithöchsten Gebirgspasses in den Alpen.


Wir hielten kurz inne, zogen uns warm an und fuhren zu einem der wenigen Servicepoints des Rennens auf die anderen Seite des Gipfels. Hier lag Schnee und die Temperaturen zwangen uns die Pause kurz zu halten und direkt die lange Abfahrt bis nach Santa Maria zu nehmen. Nach der Abfahrt wurde mir bewusst, wie sehr die Akkus durch den Stilfser Joch geleert wurden. Doch dies war nicht das Ende der Quälerei. Nach einem recht kleinen lang gezogenen Anstieg folgte die zweithöchste Bergankunft, der Ofenpass. Hier wurden die Beine mit weiteren 774Hm auf einer Länge von 14km nochmal richtig beansprucht.


Ich habe gemerkt, dass die Verpflegung während der Fahrt wichtig war. Während des Anstieges auf den Gipfel des Ofenpasses kam ein Energieschub, welcher mich meine Grenzen überschreiten lies. Oben angekommen sagte mir mein Körper "hier können wir eigentlich aufhöhren". Zwar waren die meisten Höhenmeter schon absolviert jedoch nur die Hälfte der Distanz erreicht. Jetzt folgte ein schon fast "langweilges" Segment mit einer flachen Strecke bis zum letzten Ort vor dem Ziel. Nach den vielen innerlichen Kämpfen gegen Körper und Geist während der Bergfahrten, war der eher flache Abschnitt auf Grund der Kulisse selbstverständlich nicht langweilig, gestaltete sich jedoch sehr zäh.


Wir fuhren alleine vor uns her, redeten viel, genossen die Aussicht und befanden uns eine halbe Stunde vor Martina, der letzte Ort kurz vor dem Ziel unmittelbar an der schweiz-österreichischen Grenze, als uns ein Fahrzeug des Veranstalters überholte und mehrere hundert Meter vor uns am Straßenrand stehen blieb. Ein Teil des Orga-Teams stieg aus den Fahrzeugen aus und gab uns das Zeichen zum Anhalten. Uns wurde mitgeteilt, dass dies der "Besenwagen" sei und wir hinter der vorgegebenen Zeit liegen würden, die der Veranstalter eingeführt hat, um einen Service des Rennens in einem bestimmten zeitlichen Rahmen gewährleisten zu können. Ehe wir verstanden haben was dies bedeutete, entfernte man unsere Startnummern und wünschte uns weiter gutes Gelingen. Das kratzte sehr am Ego. Das Orga-Team war höflich aber pflichtbewusst und wir enttäuscht. Für uns waren die Startnummern das, was uns zum Teil des Rennens machte. Jetzt fuhren wir wie Touristen durch die schweizerische Landschaft.


Wir waren einfach zu langsam! Und wir wussten auch warum. Die effektive Fahrzeit und Geschwindigkeit waren nicht das Problem. Zum Verhängnis wurden uns all die vielen Stopps, an denen wir wortwörtlich wie Touristen Fotos und Videos fertigten, quatschten und die Natur genossen. Die Summe all dieser Pausen machte uns in der Gesamtzeit langsam. Als wir in Martina ankamen, waren es 30 Minuten die den Unterschied gemacht haben. Bis hier her haben wir die Enttäuschung schon größtenteils beiseite legen können und konzentrierten uns auf die letzte Aufgabe bevor es nur noch leicht bergab ins Ziel geht.


Wir standen kurz hinter der Grenze zur Schweiz, am Fuss der Norbertshöhe, welche ich eingangs schon erwähnte. Nur befanden wir uns im Rennen und hatten viele Stunden im Sattel bereits hinter uns gebracht. Nach einem weiteren Energiegel und etwas zu Trinken, legten wir los. Nochmal schauen was der geschundene Körper in dieser Phase noch im Stande ist zu leisten. So ließen wir eine Spitzkehre nach der Anderen hinter uns und konnten oben angekommen, unsere Freude kaum zurück halten. Es ist geschafft!


Nur noch wenige Minuten das Rad rollen lassen und wir sind im Ziel. In Nauders angekommen, wo wir 10,5 Stunden zuvor gestartet waren, war ein sehr erlösendes Gefühl. Mit viel Anspannung sind wir in dieses Jedermannrennen gestartet, ohne zu wissen, ob wir all die Anstiege schaffen werden. Jetzt wissen wir es: es hat gereicht!


Martin und ich, unserer Mentalität ist sehr ähnlich. Für uns ist jeder Anstieg eine ganz persönliche Herausforderung die mit allen Mitteln absolviert wird! Wir mögen den Schmerz im Körper und den ständigen Kampf gegen den Geist, außerhalb der Komfortzone. Da weiter machen, wo andere aufhöhren. Ich denke, das war der Grund, warum wir diese Tour gemeinsam geschafft und uns direkt für das nächste Jahr angemeldet haben.


Diesmal wollen wir schneller sein und mit einer Startnummer ins Ziel kommen!


Ein Dank geht an Martin raus, mit dem ich diese Erfahrung teilen durfte und der mich immer wieder angetrieben hat!



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